MZ- Rennhistorie 53 bis 77

  • Dies kann, auch wenn es über mehrere Seiten geht, nur die Kurzfassung werden, ich habe sehr viel Informationen aus den 3 Büchern von Manfred Woll verarbeitet. Dort steht auf über 600 Seiten die gesamte Entwicklungsgeschichte beschrieben, weiter sind zu allen Werkseinsätzen ein paar Zeilen und die Ergebnisse hinterlegt. Viel erfahre ich von einem Sportfreund in der Nähe, der eine MZ RE250 aus 1961 besitzt und diese fahrfertig gemacht hat. Ich will auch nichts schönreden, es sind Fehler passiert, die bessere Ergebnisse verhindert haben. Aber MZ hatte bei seiner Entwicklung kein Vorbild, man arbeitete sich voran in eine unbekannte Materie. Und das ist schon mal sehr mutig.


    Nach dem 2. Weltkrieg wurden das alte DKW- Werk und alle seine Zweigbetriebe von den Sowjets restlos demontiert. 1946 wurde in einer 2. Welle noch das abgeholt, was man inzwischen wieder beschafft oder aufgebaut hatte. Wir haben darüber nicht zu lamentieren, es war eine geringe Wiedergutmachung für Zerstörungen im 2. Weltkrieg.


    1949 war man dann soweit, das man in einem kleinen Betrieb in der Nähe von Zschopau 3 Vorserienmuster der alten DKW RT 125 aufbauen konnte. Eine davon für einen Renneinsatz. Diese wurden von einem Mechaniker der alten DKW- Rennabteilung (deren rd. 150 Rennmaschinen auch mitgenommen wurden) auf eine Leistung von 6 PS gebracht. Als man damit zu den ersten Rennen erschien, war dort ein Privatteam aus Luckenwalde mit einer Maschine mit Bezeichnung ZPH. Es war ebenso eine 125er, welche aber unschlagbar war. Schnell war des Rätsels Lösung gefunden: seitlich am Motor saß der Vergaser und der Einlass erfolgte mittels Plattendrehschieber. Der Konstrukteur war Daniel Zimmermann, ein Bootsmotorenhersteller. Er ließ durchblicken, das das Aggregat über 9PS lieferte. Dagegen kam MZ (damals noch IFA) 2 Jahre nicht an. 1952 einigte man sich aber, wenn auch unter gewissem Druck, das Zimmermann diese Konstruktion MZ zugänglich macht. Sein eigener Motor war schon bei 10,5PS angelant. MZ blieb der Bauweise all die Jahre treu.


    1953 ging es dann los, MZ bekam eine eigene Rennabteilung, deren Chef Walter Kaaden wurde. Obwohl man im Jahr drauf schon bei 13,5PS anlangte, war man noch nicht konkurrenzfähig, immer noch tat ein 3-Gang- Getriebe Dienst, nur unterschiedliche Rädersätze hatte man zur Verfügung. Es gab einen Doppelport- Auspuff nit 2 offenen Megaphonen aber noch keinen Resonanz- Auspuff. Das erreichte Niveau führte zu einem weiteren Schritt: Dem Bau der ersten 250er. Man meinte, das 26PS reichen, um zumindest auf DDR- Ebene die Spitze zu erreichen, die Konkurrenz von Simson mit 4- Taktern lag bei 24PS. Nur gab es kein entsprechendes Getriebe, das DKW- Material gammelte in der Sowjetunion dahin und dort brauchte man gar nicht fragen. Einer der Monteure wusste aber von einem DKW- 4-Gang Getriebe, was er im Krieg einem Sägewerk vermacht hatte. Man fragte danach, es war noch vorhanden und man holte es zurück, nachdem man einen Haufen Sägespäne weggeräunt hatte. Ein zweites Getriebe stellte ein Privatfahrer zur Verfügung und man trat am Sachsenring (1954) mit 2 Motorrädern an. Diese waren auf Anhieb 180km/h schnell und die Simson- Leute erblassten. Allerdings nicht lange, denn beide Motoren gingen kaputt im Rennen. Es stand also im Winter der Bau einer neuen 250er an und ebenso eines 4- Gang- Motors für die 125er. Und natürlich die Suche nach PS.


    Weiteres demnächst!

  • Danke für den Text Wolf :thumbs_up_medium_light_skin_tone:

    Ich kann auch jedem interessierten das Buch Gestohlene Geschwindigkeit von Matt Oxley empfehlen. Darin wird Degners Aufstieg als Rennfahrer und Flucht nach Japan schön beschrieben.


    Fakt ist, ohne MZ hätte es die RG500 so nie gegeben. Drehschieber und Resonanzaufladung sind nunmal Erfindungen aus dem Osten.


    Da ich beide in der Garage habe, sage ich dem interessierten Besucher immer das "die da" (ETZ 250) sozusagen der Großvater von "der da" (rg500) ist :slightly_smiling_face:

  • Top :thumbs_up_medium_light_skin_tone: Lesestoff für lange Herbstabende. Gerne weitermachen!

  • Das Team um Walter Kaaden war 22 Mann stark, die Fahrer inbegriffen, welche in der Woche ganz normal im Werk arbeiteten. Die Rennabteilung war nicht autark, man war auf Die Erstellung von Dreh- und Frästeilen und weitere Zuarbeiten in der Serienfertigung angewiesen. Der Bau der 4- Gang- Motoren zog sich hin, genoss aber Vorrang vor einer neuen 250er, die erst später in Angriff genommen wurde. Außerdem hatte die Rennabteilung immer noch einige Verkaufmaschinen für die Motorsportclubs fertigzustellen, es waren 10 Stück geplant. Als Spitzenfahrer hatte sich Horst Fügner etabliert. Das Werk firmierte ab 1955 unter dem Namen MZ.


    Die 4- Gang- Motoren waren ab Ende Mai 55 einsatzbereit und man konnte beim DM- Lauf auf dem Nürburgring einen Doppelsieg feiern mit Fügner vor Krumpholz, der sogar noch einen 3- Gang- Motor fuhr. Für alle Fahrer hatte es eben nicht gereicht und es ging auch immer mal was kaputt. Die Maschinen hatten über den Winter einen neuen Rahmen und vorn eine Schwinge bekommen. Beim später ausgetragenen WM- Lauf an gleicher Stelle konnte MZ hinter den 3 Werks- MV und einer Privat MV den 5. und 6. Platz erreichen, als beste 2- Takter.


    Diese Freude währte aber nicht lange, denn zum Sachsenring- Rennen tauchte DKW mit einer neuen 125er auf. DKW war nach dem Krieg durch die beiden Auto Union Vorstände Dr. Bruhn und Dr. Hahn in Ingolstadt neu gegründet worden. Das Firmenlogo, die 4 verschränkten Ringe brachte man gleich mit und heute agiert das Unternehmen als Audi AG. Die 125 basierte auf dem Gehäuse der 350er (singende Säge), angebaut war nur der vordere Zylinder mit 116ccm, 5-Gang Getriebe. In diesem eigentlich einfachen Motor mit Schlitzsteuerung hatte man die neuesten Pleuellager von INA und die neu entwickelten verchromten Stahlkolbenringe von Goetze eingesetzt, womit dieser bis auf 11000 1/min standfest gedreht werden konnte (MZ 9000 1/min). Mit August Hobl war so der Sieg vor Fügner drin und in Zschopau machte man lange Gesichter. Die Teile konnte Kaaden aber nicht einfach übernehmen, weil es eine gemeinsame Entwicklung DKW- INA-Goetze war. Dafür konnte Fügner die 250er (auch Vierlingsflak genannt, wegen der 4 Megaphone) auf Platz 9 erstmals ins Ziel bringen.


    Aufgrund dieser Pleite musste MZ im kommenden Winter sofort reagieren. Der weitere 250er Einsatz wurde vorerst beendet und ein von Grund auf neuer 125er Motor mit 6- Gang Getriebe gebaut. Bei diesem waren Motor und Getriebe nach alter DKW- Art verblockt (also 2- geteilt und verschraubt). Außerdem wurde jetzt mit Resonanzauspuffen experimentiert und das ging in die richtige Richtung: 16PS bei weiteren 9000 1/min bremste man. Hinzu kam ein weiter verbessertes Fahrwerk, Verkleidungen, die auch das V- Rad einschlossen.


    Aber auch DKW hatte weitergemacht, ebenfalls nun ein 6- Gang- Getriebe und 125ccm. Doch dem Werk ging es finanziell nicht gut und man beendete 1956 die Rennbeteiligung. 1958 gab man dann die Motorradfertigung ab an die Zweirad Union in Nürnberg.


    Mit der Neugründung in Ingolstadt sahen auch einige weitere Fachleute aus dem Osten ihre Zukunkt im Westen. Allein in Sachsen waren nach dem Krieg knapp 1000 Industriebetriebe demontiert worden und bei den Bahnstrecken je das 2. Gleis. Diese Leute fanden schnell Arbeit in Ingolstadt und den weiteren Werken der Fahrzeugindustrie. Für Kaaden war das ein Vorteil, denn in der Rennabteilung kannte fast jeder einen, der diesen Weg beschritten hatte. So auch bei INA, dem mit der DKW nun der Entwicklungspartner fehlte. So gelangte man an die begehrte Lagertechnik. Und ein weiterer Glücksgriff gelang Kaaden: Schon 2 Jahre hatte er einen jungen Fahrer im Auge, der mit den alten ZPH Maschinen Erfolge in Reihe einfuhr und nun die Lizenz bekam: Ernst Degner. Und ab nun ging es steil aufwärts.

  • Sehr cool, bitte weitermachen Wolf!


    Nur ein kurzer Sidefact für Technik-Interessierte (Soll kein Spam sein):

    Es gab damals auch sehr viele Überschneidungen zwischen dem Motorrad- und Motorbootsport in der DDR.

    Im Bootssport waren die Zweitakter noch weitaus radikaler, die Konstruktionen z.T. echte Kunstwerke, warum auch manche Technik-Nerds den Motorrädern den Rücken kehrten.

    Hier mal ne kurze Doku zur Einführung:

    Highspeed auf Wellen – Faszination Motorbootrennen - german - DDR
    Was kaum noch einer weiß: Die DDR war im Motorboot-Rennsport Spitzenreiter. Die Rennfahrer zu Wasser holten so viele Welt- und Europameistertitel wie keine…
    www.bitchute.com

  • Weil heute hier Feiertag ist, etwas mehr :slightly_smiling_face:
    Im Winter 1955/56 hatten 3 weitere fähige Mitarbeiter bei der MZ- Rennabteilung angefangen: Konstrukteur Erich Bergauer, Schlosser Dieter Beer für den Fahrwerksbau und Blechschlosser Dieter Hackebeil (Tanks/ Verkleidungen…). Bergauer und Beer blieben bis zum Schluss. Kaaden suchte sich die Leute aus und der Betriebsdirektor, Herr Sibbe, wies die Umsetzung an. Denn die vorherigen Abteilungen ließen solche Leute ungern gehen. Für alle war es damals eine Ehre für die Rennabteilung zu arbeiten, keiner stand schon 10min vor Feierabend vor der Stechuhr. Kaaden selbst verließ 6:00 sein Haus im Lindenweg und kam meist erst nach 20:00 wieder heim.


    Der Beginn der Saison 1956 zeigte wieder, das es für eine Erprobung unter Rennbedingungen an einer permanenten Rennstrecke in der DDR fehlte. Lediglich ein Stück Autobahn von Bautzen Richtung Breslau, welches nie freigegeben wurde, konnte MZ nutzen. Aber das war keine richtige Rennerprobung und dies blieb so bis Ende der Rennbeteiligung.
    Folglich war das Jahr auch von zahlreichen Ausfällen geprägt und erst gegen Ende 56 traten einige Erfolge ein.

    Im Folgejahr war das anders, mit der 125er, die mittlerweile 17 PS leistete trat man bei der WM in Hockenheim an. Ein 4., 6., und 8. Platz war die Ausbeute, die 3 Erstplatzierten starteten auf Werksmaschinen von Mondial und MV. In Tubbergen bei einem int. Rennen Doppelsieg, in Zandvoort Dreifachsieg und beim DM Lauf am Norisring Dreifachsieg, gefolgt vom MZ Privatfahrer Dietmar Zimpel. Sieg auch in Brünn für Degner, bei der WM in Monza, wo sich MZ erstmals hinwagte, 7. Platz für Degner. Seine Rundenzeit lag noch 7 Sekunden über der von Ubbiali (MV), es gab also noch einiges zu tun. Die Fahrt von Zschopau nach Monza (über 900km) über den Brenner war das reinste Abenteuer. Einer der beiden Transporter blieb in Österreich mit Getriebeschaden stehen. Umladen der wichtigsten Sachen und weiter. An der italienischen Grenze hielt man sich ewig wegen Visaproblemen auf und 100km weiter hatte der 2. LKW eine Panne. Ankunft in Monza am Sonnabend nach Trainingsende, man gestand den Fahrern aber noch ein kurzes Sondertraining zu. Auf der Rückreise wurde der 2. Transporter von Österreich bis Zschopau abgeschleppt.


    Auch die neue 250er war gelegentlich am Start doch an der gab es 2 grundlegende Fehler: Primärantrieb mit Kette, weil man auf eine Zwischenwelle verzichten wollte und ein 6- Gang Ziehkeilgetriebe. Letzteres zeigte ständig Probleme an der Betätigung des Ziehkeiles, die Kette vertrug nur 9000 1/min, ein Kettenriss bei 180km/h warf Fügner am Norisring aus dem Sattel. Der Motor selbst war in Ordnung, es handelte sich ja um 2 nebeneinander angeordnete 125er Motoren.

    1958 wurde der ADMV der DDR ordentliches Mitglied der FIM und man gedachte, an allen 7 WM- Läufen teilzunehmen. Die 250er erhielt nun endlich ein 6- Gang Klauengetriebe, auch das vordere Motorteil wurde überarbeitet und das Getriebe hinten angeschraubt, wie bei der 125er. Es wurden 4 250er und 6 125er neu gebaut. Die 125er hatte auf dem Prüfstand satte 20PS gezeigt. Auf Stand 1957 wurden 12 Verkaufsmaschinen gebaut mit einigen Vereinfachungen. Nachdem MZ nun auch in den Geländesport eingestiegen war, wurde die Sportabteilung erweitert auf nun 36 Mitarbeiter.


    Zum nun regelmäßigen Einstieg in die WM ging es mit 2 125er unter Fügner und Degner auf die Isle of Man. Da der Renntransporter nicht auf die Fähre passte wurde alles ausgeladen und in Douglas in einer Garage verstaut, dabei 2 Serien MZ ES 250 zu Besichtigungszwecken des kleinen Kurses. Das Training verlief ganz ordentlich für den Anfang und der 5. Und 6. Platz im Rennen war zufriedenstellend für das erste mal auf der IoM. Kaaden, nun permanenter WM- Teilnehmer, konnte mit der englischen Zubehörindustrie äußerst günstige Vereinbarungen treffen. Derweil fuhr Brehme in Budapest mit der neuen 250er ein internationales Rennen, welches er ohne irgendein Problem gewann.


    In dem Jahr konnte Horst Fügner mit der neuen 250er den ersten WM- Lauf für MZ in Schweden gewinnen und wurde schließlich Vize Weltmeister hinter Tarquinio Provini auf MV. Und die 125er waren den Ducati und MV- Werksrennern eng auf den Fersen. Man war nun im Kreis der Favoriten angekommen, erste internationale Fahrer fragten bei Kaaden nach einer Startmöglichkeit auf MZ, und es kamen in der Zukunft so einige große Namen.


  • :teacher1:


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    Ich stürze nur im äußersten Notfall.