MZ- Rennhistorie 53 bis 77

  • Nun kommts zum vorletzten Akt des Dramas.


    Das 125er Tandem- Projekt war nach dem Ausfall 1971 bei der TT und dem Tod Bartuschs nicht mehr weiter verfolgt worden, damit ging die werksseitige Beteiligung in dieser Klasse zu Ende. Alle danach noch eingefahrenen Punkteränge von MZ- Fahrern waren private Einsätze. Für einen ebenfalls fertiggestellten 250er Motor in Tandem- Bauweise wurden ebenfalls keine weiteren Mittel mehr genehmigt. Das war schade, denn der Twin mit den seitlichen Vergasern baute viel zu breit und die unten weit ausladende Verkleidung setzte gelegentlich auf abgesehen von der großen Stirnfläche.

    Es zeigte sich nun die Wirkung der Sportpolitik in der DDR. In allen 16 Bezirken gab es nun eine Kinder und Jugendsportschule, dazu sogenannte Trainingszentren in Sportgemeinschaften. Hier wurden 50000 Kinder und Jugendliche an den Leistungssport herangeführt. Es waren dazu 500 neue hauptamtliche Trainer eingestellt worden. Daraus sollten die besten 10000 Sportler in die geförderten Sportclubs aufsteigen und schlussendlich 2000 davon für die Teilnahme an EM, WM und OS ausgewählt werden, um auf der großen Bühne für Furore zu sorgen. Beispiel: Nur allein die Rennschlittenbahn kostete 1971 35 Millionen. Und zig weitere große Sportbauten wie Hallen, Schwimmbäder Sprungschanzen...

    Auch die Frage eines DDR- Fahrers war ungelöst. Zwar gab es mit Bernd Tüngethal einen, der bei den MZ- Einsätzen im Ostblock immer vorn war (auch unter namhafter internationaler Beteiligung), aber der hatte im jugendlichen Alter mal versucht, die DDR zu verlassen und durfte nur mal am Sachsenring und in Brünn WM- Luft schnuppern. Davon frustriert verließ er 2 Jahre später die DDR per Ausreiseantrag.

    Grassetti war also 1972 weitgehend Einzelkämpfer in der WM, wenigstens einen neuen Rahmen hatte man gebaut. Mit der sonst unveränderten 250er konnte er nochmal einen 2. Platz und drei weitere Punkteränge erreichen, in der 350er nur noch drei Punkteränge. Die 350er hatte immer noch lediglich 300ccm. Schließlich sagte er zu Saisonende adieu zu MZ.

    Es war jetzt (1973) schwierig geworden, für MZ einen internationalen Spitzenfahrer zu finden, es ging weiter mit den Maschinen wie im Vorjahr aber Kaaden und Bergauer arbeiteten an einem zumindest verbesserten Motor, der nunmehr 3. Generation des Twin, wobei die größere Variante erstmals volle 350ccm hatte. Als Fahrer engagierte man die Schweizer Pfirter und Mühlebach, die beide nicht mit den Maschinen zurechtkamen. Pfirter stieg gleich wieder auf die 350er Yamaha um und die ganze Saison drohte zu einer totalen Blamage zu werden. In Hockenheim entschloss sich Grassetti doch noch mal zu Starts bei MZ, mit der er Erfahrung hatte und wesentlich schneller als die Schweizer war. Pfirter verschwand darauf ganz bei MZ. Mit einem 6. Platz in Hockenheim, 2. In Opatija, 7. In Assen in der 250er sowie einem 9. Platz in Opatija bei den 350ern ließ Grassetti nochmals aufhorchen.

    Nach dieser Saison stand erstmals die Schließung der Rennabteilung zur Diskussion, denn diese Ergebnisse erzielten keinen Werbeeffekt mehr. Man konnte aber mit dem Ungarn Janos Drapal einen 4 fachen GP- Sieger gewinnen, mit dem bessere Erfolge möglich schienen. Weiter war sich Kaaden mit Frank Wendler aus Hohnstein- Ernstthal einig, welcher sich nach Weggang Tüngethals nach vorn gearbeitet hatte. Aber Drapal sagte ab, sein Vater, hoher Beamter im ungarischen Verteidigungsministerium, organisierte 2 neue wassergekühlte Produktions- Yamaha, mit denen sich Drapal bessere Erfolgschancen erhoffte. Auch mit Wendler wurde es nichts, seine Frau war Französin und die misstrauischen Behörden fürchteten schon wieder, das Wendler womöglich auch abhaut wie schon Degner vor Jahren. MZ gab ihm nochmal eine Werksmaschine für das Sachsenring- Rennen (nun ohne WM- Status), das er gewann. Aber auch das half nichts.

    Nochmals half Grassetti in Imola aus, er fuhr nur die 250er, auf Platz 9 liegend brach ein Hubzapfen der MZ und fiel dadurch kurz vor dem Ziel aus. Das war auch nun wirklich sein letzter MZ- Start, bei einem Rennen danach kollidierte er schwer vor den Boxen mit einem anderen Fahrer und gab den Rennsport nach seiner Genesung auf. Durch einen MZ- Händler kam es dann zu Kontakten zu Boet van Dulmen, welcher bereit war, ab Imatra für MZ zu starten. Aber auch er kam nie in die Nähe von Punkterängen, so erzielte Jürgen Lenk mit seiner privaten 125er (Einzylinder) in Brünn die einzigen 5 WM Punkte für MZ im ganzen Jahr. Van Dulmen äußerte dem Team gegenüber Kritik an der Wirkung der MZ Trommelbremse und so entschloss man sich, den ersten Herstellern folgend, vorn eine hydraulisch betätigte Scheibenbremse zu versuchen. Die Teile einschließlich eines Leichtmetall- Gußrades besorgte kurzfristig Dieter Braun und van Dulmen war voll zufrieden.

    Das man die Rennabteilung weiter gewähren ließ, lag an einer Anfrage sowjetischer Behörden. Denn dort, im sozialistischsten aller sozialistischen Staaten fuhren mittlerweile Fahrer auf Yamaha die Landesmeisterschaften ein. Man wollte dem mit Fahrern auf MZ begegnen und da konnte keine DDR- Behörde ablehnend auftreten.

  • Kommen wir nun zum letzten Abschnitt unserer Geschichte. Von 1975 bis 77 rüstete MZ zwei sowjetische Fahrer für die Klassen 250 und 350 mit dem aktuellen Maschinenmaterial aus der WM aus. Wir wunderten uns, das plötzlich Fahrer aus der UdSSR mit den neuesten MZ bei Rennen in der DDR antraten, aber die sowjetische Meisterschaft wurde damals mit keinem Wort erwähnt. Die Maschinen wurden per LKW in die UdSSR gebracht und dort von einem Mechaniker aus Zschopau betreut, der sich auch um die 125er aus dem dortigen Club kümmerte. Das ganze fand ausschließlich in den baltischen Republiken statt, zumeist in Riga und Tallin. Insgesamt gab es jedes Jahr 5 Rennen, welche in 2 Blocks gefahren wurden: Die ersten 3 im Wochentakt und später nochmal 2 im Wochenabstand. Außer in einem Fall wurde alles von den MZ- Piloten gewonnen.

    In der WM ging es mit van Dulmen weiter, er schien aber wenig motiviert und erzielte weiter 0 Punkte, bis man sich nach dem 7. Rennen trennte. Denn dort in Belgien hatte sich der Finne Tapio Virtanen nach einem Start mit der 250er MZ erkundigt und der kam sofort mit der Maschine bestens zurecht. Schon beim nächsten WM- Lauf wurde er Dritter beim WM- Rennen in Schweden, wo die gesamte Weltelite am Start war. Die Maschine erhielt auf seinen Wunsch vorn eine zweite Bremsscheibe, da er die Einscheibenanlage an ihre Grenzen gebracht hatte. In Brünn konnte er nach der zweitbesten Trainingszeit einen 6. Platz einfahren mit unsauber laufendem Motor. Ich habe das Rennen selbst erlebt und man sah deutlich ein kleines Wölkchen an einem der Auspuffe, wenn er ausgangs einer Kurve beschleunigte. Zwischendurch gewann er noch ein Interrennen in Imatra, wo fast die ganze Weltelite am Start war. In Zschopau keimte nochmals Hoffnung auf, hatte man doch gesehen, das die MZ mit dem richtigen Mann im Sattel noch für ganz vorn gut war.

    Die MZ sah in dem Jahr etwas komisch aus. Vorher hatte man meist schöne Maschinen im klassischen Stil erstellt, nun hatte man vorn eine Scheibenbremse und Gußrad, hinten ein klassisches Speichenrad mit Trommelbremse. Man hatte das klassische Silber am Verkleidungsunterteil (aus seligen DKW- Zeiten) nun gegen ein strahlendes Weiß ersetzt.

    In Zschopau gab man sich einen Ruck und begann 1975 noch mit einem neuen Rahmen samt Schwinge, wo die Federbeine stark geneigt angebaut waren. So konnten die Auspuffe oben weiter zur Mitte hin versetzt werde, was die Sitzposition verbesserte. Auch für hinten war nun eine Scheibenbremse (Lookhead) vorgesehen, vorn und hinten kamen Magnesiumräder von KUMA zum Einsatz und am Motor neuester Generation ein ganz neu konstruiertes Getriebe. Einige Fahrer hatten zuvor Kritik an der Schaltbarkeit geübt und das vorhergehende Getriebe war bis auf Kleinigkeiten noch mit dem identisch, mit dem Fügner 1958 Vizeweltmeister wurde. Für 1976 wurden noch einige aktuelle Ceriani- Gabeln angeschafft. Optisch war die Maschine ein Traum.

    Leider konnte Virtanen 1976 nicht mehr groß in Erscheinung treten, wiederum wegen etlicher Ausfälle, zum Teil unnötige Sachen, und so endete die Renngeschichte von MZ, ohne das man zum Schluss nochmal einen vorzeigbaren Erfolg hatte.

    1977 ging es nochmal weiter, aber nur noch mit Rennen im Ostblock mit dem einzigen Werksfahrer Reiner Richter aus Dresden. Der hielt nach Jürgen Lenks schwerem Unfall in Frohburg 1975 nun als Einziger noch die Fahnen für MZ hoch.

    Noch einmal hatte man sich etwas einfallen lassen: Fahrwerksbauer Dieter Beer hatte ein Fahrwerk mit Zentralfederung hinten gebaut. Es war handlicher als das vorhergehende, aber auf schnellen Abschnitten weniger stabil, so das Urteil von Reiner Richter.

    Das war nun alles wesentliche, was man zur MZ Rennhistorie sagen kann. Wer Interesse an der Sache hat, kann viele Maschinen aus dieser Zeit im Museum Augustusburg bei Chemnitz besichtigen, dazu etliche Motoren.

    Allen einen schönen Advent!



  • Vielen Dank Wolf für deinen schönen Beitrag! :herz:

    In Kurven kann jeder schnell fahren, aber auf der Geraden... ja, da brauchst du Leistung!

  • Na gut, dann noch eine Episode, die sich gegen Ende der Geschichte zutrug.


    Die MZ- Rennmaschinen von 1975 und 76 waren ja mit KUMA- Magnesium- Gussrädern ausgestattet (1975 nur vorn). Für 1977 stand zumindest die UdssR- Meisterschaft noch an und die Einsätze bei der DDR- Meisterschaft und im Ostblock. Um die Maschinen auf den letzten Stand zu bringen und beschädigte Teile zu ersetzen, brauchte man nochmals etliche Räder und auch Magnesium- Bremszangen waren interessant. Es fanden Verhandlungen zu dem Thema statt. Kustermann schlug als Gegenleistung für seine Lieferung eine MZ RE250 Stand 1976 vor. Diesem Wunsch kam man nach, Devisen waren bei MZ ja immer knapp.


    Also vereinbarte man einen Treff an der streng bewachten Grenze zwischen Schleiz und Hof (der heutigen A9 Berlin- München). Dieser Treff fand zwischen den jeweiligen Kontrollposten statt, etwa wie bei einem Agentenaustausch. Kustermann erhielt seine MZ ohne Räder und Bremsen, samt Ersatzmotor, Auspuffen und einigen Ersatzteilen, MZ erhielt ca. knapp 40 Räder und auch Bremszangen in vereinbarter Anzahl. Weitere Ersatzteile konnte KUMA dann bei Bedarf ordern und im Gegenzug spezielle Teile für die MZ-Geländesportmaschinen liefern. Das ging noch 2 Jahre, dann war KUMA pleite. Besonders die japanischen Hersteller lieferten nun ihre Maschinen serienmäßig mit Leichtmetall- Gussrädern und das schöne Geschäft brach schlagartig zusammen.


    Ich werde vielleicht in einem weiteren Threat einige meiner Bilder von den Maschinen einstellen, von denen die Geschichte hier handelte.

  • Wahnsinn! wenn´s so weiterläuft komme ich die nächsten Tage im Geschäft zu nix mehr :winking_face:

    Vielen Dank nochmals und ich freu mich schon auf die Bilder.


    man kann die (N)ostalgie praktisch sehen und fühlen in deinen Berichten!


    Schöne Advents- und Vorweihnachtstage an Alle!

  • Vor dem Schauinsland- Rennen z.B. wurden- aus Gewichtsgründen!- die beiden Kunststoff- Abdeckungen über den Auspuffen weggebaut und Koch erlitt Verbrennungen 2. Grades. :nuts:

    :face_screaming_in_fear: jetzt wird mir einiges klar: