90° Kurbelwelle


  • Besser oder nicht, dass kann immer nur auf den Einsatzbereich bezogen werden.


    Mit so einem unsymmetrischen Zapfenversatz und in diesem Fall 0° und 90° Zündfolge bewegt man sich auf eine BigBang-Variante zu. Diese erlaubt dann z.B. sowas wie eine längere Entspannungsperiode, währenddessen der Reifen wieder Gripp aufbauen kann, also hier 270° Kurbelwinkel.


    Mit der 90° Anordnung reduziert der Steve bei TSS das sogenanntes Rocking Couple (Schaukelnde KolbenMASSENkräfte-Paar), das Massenkraftmoment 1.Ordnung. Ein Kippeln des Motors um die Kradlängsachse ((=Motorquerachse!!!)).
    1.Ordnung deshalb, weil ein komplettes Hin-und Herschaukeln genau 1x pro 360° auftritt.
    2.Ordnung wäre, wenn es pro 360° 2x auftreten würde (so z.B. der Fakt, dass Kolben sich schneller aus dem oberen Totpunkt herausbewegen, als aus dem unteren Totpunkt. Zwei nebeneinander befindliche Kolben eines R2 haben nur bei ~90° gleiche Geschwindigkeit und Entfernugn von ihrem letzten Totpunkt (sofern kein Offset der Zylinderachse zur Kurbelachse))
    Kräfte und Momente höhere Ordnungen werden im Motorenbau nahezu vernachlässigt, da ihre Intensitäten immer geringer werden.


    Steve holt sich aber im Gegenzug nachteiligerweise wieder Massenkräfte 1.Ordnung ins Treibwerk, weil sich die sonst gegenläufigen Kolbenmassen und Ausgleichsgewichte nicht mehr genau gegenüber befinden. Also dann mehr ein "Hoch- und Runter-Doppen" statt ein "Schaukeln" des Motors.


    Der schlechteste R2-Motor in Bezug auf Massenkräfte 1.Ordnung wäre, wenn sich beide Kolben immer parallel hoch und runter bewegen (0°-Kröpfung), Zündabstand 360°. Der würde dann zwar nicht mehr schaukeln, aber sich ohne Ausgleichsgewichte mit dem Faktor 2 (wegen 2 Kolben) doppender Weise in der Motoraufhängung bemerkbar machen. Die Massenkräfte 1.Ordnung können bei so einem Motor nur teilweise mit Gegengewichten ausgeglichen werden (glaube GS500E), ebenso bei einem 1-Zylindermotor.



    Normalerweise hat ein 180° R2-2TMotor mit Gegengewichten auf den oder als Kurbelwangen, keine freien Massenkräfte 1.Ordnung, also Massenkräfte, die regelmäßig einmal pro 360° auftauchen. Das Gegengewicht auf der oder als Kurbelwange gleicht das Kolbengewicht im oberen und unteren Totpunkt perfekt aus. Aber eben auch nur dort! Der Motor hat, sofern das Kolben-Gegengewicht um 180° dem Zapfen gegenübersitzt, nur Massenkräfte 2.Ordnung.
    Nun, Massenkräfte 2.Ordnung treten 2x pro 360° auf. Das geschieht genau immer dann, wenn der Zapfen und somit auch das Gegengewicht um 90° aus dem oberen und dann auch wieder 90°(270°) aus dem unteren Totpunkt entfernt ist. Denn dort kann der Kolben ja mit seiner Masse nicht mehr gegenwirken.
    Also diese Massenkraft tritt hier 2x pro 360° auf, somit 2.Ordnung. Da wir ja 2 Zylinder haben, hat der 180° (Reihe2=R2) 2T-Motor 2x Massenkraft 2.Ordnung, die addiert werden.


    Die Gaskräfte bei Motoren spielen bei Vibrationen keine Rolle, die Kräfte im Brennraum wirken auf alle Seiten gleich und heben sich nach aussen hin vollständig auf. Vibrationen werden aussschließlich durch die sich bewegenden Bauteile hervorgerufen.


    Beim Motorenbau möchte man die niederfrequenten Schwingungen, also periodisch wiederkehrende Kräfte und Momente hauptsächlich 1. und 2. Ordnung, durch geeignete Kontruktion eliminieren oder zumindest gering halten.


    Die zwei Massen(-kräfte) der Kolben (bei 180°) verursachen ein Drehmoment um die KradLängsachse, die durch den Kurbelwellenschwerpunkt geht (alles hier nur annäherunsweise, der Einfachheit halber!). Diese beiden Kräfte wirken am stärksten, je weiter sie vom Kurbelwellenschwerpunkt entfernt sind, also im oberen und unteren Totpunkt. Da dies bei der 180°-Variante gleichzeitig eintritt, die Richtung der beiden Kräfte auch noch den gleichen Drehsinn um diese Längsachse verursachen, verdoppelt sich somit das hervorgerufene Moment (Kraft x Hebelarm).
    Denkt man nun 180° weiter, so wiederholt sich das ganze wieder, nur mit dem Unterschied, dass der Drehsinn jetzt entgegengesetzt ist.
    Man kann jetzt davon sprechen, dass die Kurbelwelle mal nach rechts und mal nach links schwankt. Da diese Schwankungen der Kurbelwelle durch die Motorlager auf das Motorgehäuse und vom Motorgehäuse oft noch stark genung durch die Motoraufhängungen auf den Rahmen übertragen werden, spürt der darauf sitzende Fahrer dies als Vibrationen. Vibrationen deshalb, weil eine komplette Schwankung ja 1x pro Umdrehung auftritt und ein Motor ja mehrere 100 oder gar 1000 Umdrehungen dreht, je nach Betriebszustand.


    Je weiter nun diese Kolbenmassen auseinanderliegen, desto intensiver/stärker sind diese Schwankungen/Vibrationen. Ebenso, wenn die Kolben schwerer werden. Dies tritt beides dann auf, wenn man Zylinder mit größerer Bohrung verwendet. Der Zylinderabstand muss zum einen größer werden, um wegen der größeren Kolben noch genug Platz für die Überströmer zu lassen, die ja bei einem Zweizylinder-Reihenmotor nebeneinander liegen. Also ist der Hebelarm zum Kurbelwellenschwerpunkt sowohl der rechten und der linken Kolbenmasse größer. Ebenso verstärkt bei größerer Bohrung auch meist der größere Kolbendurchmesser die Kolbenmasse. Beide Faktoren, Massen(- kraft) x Hebelarm erzeugen dann bei diesem 485ccm TSS 500GP - Motor besagtes Rocking Couple.


    Jetzt geht der Steve bei TSS einfach her und möchte die Wirkung des Rocking Couple ("Schaukelnden (Kolben-MASSEN-Kräfte-)Paares") reduzieren.
    Er kann ja nur schwer den Zylinderabstand reduzieren (in dem Umbau des RD/RZ350 Motors bleibt der Abstand der Zylinder des 485ccm zur 350ccm Variante sogar gleich, also an der Hebelarmlänge ändert sich somit nichts!), und bei einer größeren Bohrung sind zwangsläufig die Kolben schwerer.
    Damit die beiden Kolbenmassenkräfte sich bei 180° nicht verdoppeln, legt er einfach die Kolbenmasse eines Zylinders an eine andere Stelle, nämlich statt bei 180° schon bei 90° bezogen auf den anderen Kolben.



    BESSER:
    Es kommt darauf an, welche Art von Schwingungen man in welchem Maße haben möchte. Er möchte wohl nicht, dass der BigBoreKit mehr schaukelt, als der 350er Zylindersatz. Das eher doppende Elemente scheint für einen Fahrer wahrscheinlich auch besser hinnehmbar zu sein.
    Es gibt ja die Tularis, also den großen R2 2T eines Snowmobiles in ein leichtes Chassis gesetzt. Ein britischer Zweiradjournalist ist sie gefahren und sagt, dass das Ding heftigst vibriert, man kaum die Hände an den Griffen halten kann. ( http://www.youtube.com/watch?v=jQoY7ECyoN8&feature=fvw ~bei 3:50min) Ich vermute jetzt doch mal sehr stark, dass die Tularis einen 180° Zapfenversatz hat und das ohen Ausgleichswelle. KOmmt dann noch der große Zylinderabstand aufgrund großer Kolben hinzu und weiter auch die schweren Kolben. All das begünstigt dieses Rocking Couple, das Massenkraftmoment 1.Ordnung, die Schaukelei mit hoher Intensität. .... könnte selbst mit Gegengewichten nur teilweise ausgeglichen werden. Der R2 ist simple aufgebaut, muss aber dadurch ein paar Nachteile einstecken ... was auch noch eine Unbekannte ist, ob die Zylinderachsen ein Offset zur Kurbelwellenachse haben, gäbe den Kräften dann z.T. noch eine leicht geänderte Richtung.
    Über fahrtechnische Nachteile von Massenkräften 1.Ordnung habe ich noch nichts erlesen ... vielleicht hat da jemand einen hilfreichen Link ...?


    Gruß
    Carsten

    Hallo, ich bekomm‘ einmal BeschleunigungsÄNDERUNG bitte. 4-Takt? Nö, is‘ mir zu fett. Lieber da, den schön mageren 2-Takter mit Biss. Zum Mitnehmen? Ja bitte. Tüte? Och,'geht auch ohne gut. Dann noch von den dicken Birnen dort. Das war alles? Joh, reicht wohl für's Erste. :face_with_tongue:


  • besser könnte ein Zweizylinderzweitakter nicht aussehen. Kann man das Getriebe seitlich rausziehen?

  • Hallo Carsten,
    klasse Antworten von Dir. Da musst du doch ewig lange dran gepinnt haben, oder? Auf jeden Fall einige schöne Denkanstösse. :teacher:
    Mfg wiba

  • Moin,


    mein 421ccm-Motor (180°-KW) läuft seidenweich. Der rappelt und vibriert nicht mehr oder weniger, als der 350er-Motor. Was läuft da bloß falsch :nixweiss:. ?


    Gruß
    Raphael

  • Der 350er Motor(180°KW) vibriert ja auch wie Sau, mit dem würd ich nicht vergleichen :-D

    Mein Hinterrad eiert, das muss sicherlich an dem Wärmewert meiner Zündkerze liegen! :nixweiss:

  • Wer sagt das? Das kann ich bei meinem 350er-Motor nicht bestätigen.


    Außerdem; Wenn der 350er angeblich so stark vibriert, dann müsste es der 421er noch viel mehr. Und das kann ich nicht bestätigen.


    Gruß
    Raphael

  • Zitat

    Original von Raphael
    Wer sagt das? Das kann ich bei meinem 350er-Motor nicht bestätigen.


    Außerdem; Wenn der 350er angeblich so stark vibriert, dann müsste es der 421er noch viel mehr. Und das kann ich nicht bestätigen.


    Gruß
    Raphael


    Soviel zu Theorie und Praxis :nuts: .


    Bei Standardgehäuse und -welle sollte sich der Abstand der Zylinderachsen bei dir nicht verändert haben (und damit auch nicht der Hebelarm. Hast du denn mal deine Kolbengewichte verglichen?
    Statt einem 64er hast du demnach nun entweder ein 70mm oder 70,5mm Kolben verbaut, evtl. sogar bearbeitet oder größere Fenster.
    Evtl. die Nachbaukolben genauso oder ähnlich leicht/schwer wie die unbearbeiteten Standardkolben?
    Dreht denn der 421er überhaupt so hoch wie der 350er Motor?


    Der Steve könnte ja z.B. auch nur dem Ganzen um wenige rpm entgegengewirkt haben. Rein den Sicherheitsfaktor etwas verbessert. Gründe, um ein Produkt besser verkaufen zu können lassen sich ja doch auch immer welche anführen. Ob die dann auch hauptausschalggebend sind/waren, weiß wohl nur er selbst.


    Nuja, 350er und nicht rappeln, habe ja selbst einige JAhre eine gemachte (jedoch nur Standard ccm) 85er 31K gefahren. Setz' dich danach halt mal auf einen 4-Takter neueren BAujahrs, da muss man doch echt an der Ampel nachsehen am Drehzahlmesser, ob der Motor noch läuft. Hören tut man doch sowieso nüscht mehr ..., oder? :O


    Ahh, fällt mir ein, der verwendet ja sicher auch längere und schwerere PLeuel, welche ja ebenfalls das Rocking Couple mit verstärken könnten. ...


    Gruß
    Carsten

    Hallo, ich bekomm‘ einmal BeschleunigungsÄNDERUNG bitte. 4-Takt? Nö, is‘ mir zu fett. Lieber da, den schön mageren 2-Takter mit Biss. Zum Mitnehmen? Ja bitte. Tüte? Och,'geht auch ohne gut. Dann noch von den dicken Birnen dort. Das war alles? Joh, reicht wohl für's Erste. :face_with_tongue:

  • Carsten,


    ich möchte auch gar nicht Deine Ausführungen anzweifeln....ich schließe mich ihnen eher an. Nur was sich hier theoretisch als sehr kritisch liest, kann ich aus meinen persönlichen praktischen Erfahrungen als nicht gleichwertig kritisch einstufen.


    RD 350 YPVS-Motoren, die bei unter 10.000 U/min ihren Peak haben, sind relativ langlebig. 50.000 km haben damit schon einige geschafft, ohne den Motor öffnen zu müssen. Und natürlich kann man einen ÜPSE-Motor nicht mit modernem Seriengeraffel vergleichen. Das führt m.E. zu nichts. Vergleich machen nur in der selben "Liga" Sinn.


    Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer. Und es ist prima wenn gescheite Menschen sich Mühe geben, diese umzusetzen :daumenhoch. Die TSS 500 ist für die Piste gebaut. Da müssen schon andere technische Voraussetzungen geschaffen werden, damit so ein Motor die Renndistanz hält. Nur für die Straße braucht man diesen technischen Aufwand meiner Meinung nach nicht zu betreiben. RD-Motoren (egal ob 350 oder 500ccm) sind keine Drehorgeln. Wer es trotzdem meint, der muss einen hohen technischen Aufwand betreiben oder viele Ersatzteile horten. :D.


    Gruß
    Raphael