MOTORRAD (Zeitschrift)

  • Auch wenn es hier im Forum offensichtlich einige Vorbehalte gegen diese Zeitschrift gibt, manchmal ist ein Blick über den Zaun nicht verkehrt!


    Seit fast 49 Jahren lese ich diese Zeitschrift und habe ihr auch die Treue gehalten, als Anfang der 60er die Auflage bis auf 38.000 zurückgegangen war, weil die Motorradfahrer mit fliegenden Fahnen zum Auto übergelaufen sind!


    Auto und Motorrad zugleich, wer konnte sich das bei Wochenlöhnen zwischen 70 und 90 DM schon leisten?!


    Also weg mit dem Motorrad und Lloyd-Leukoplast-Bomber, Goggo, Isetta oder Messerschmidt Kabinen-Roller oder einen anderen Drei- oder Vierrädrigen Untersatz gekauft!
    Die beiden ersten und letzterer mit Zweitakt-Motor wie die Mehrzahl dieser Vehikel!
    Als der Lloyd von 300 ccm, 400 u. 500 ccm-Zweitakter dann einen 600er Viertakter bekam, war das wie eine Erhebung in den Adelsstand!
    Ein deutlicher sozialer Aufstieg wurde damit dokumentiert und demonstriert!


    Man sass im Trocknen und für den täglichen Weg zur Arbeit war so ein Fahrzeug allemal gut genug!


    Nur wenige hielten sich ein Motorrad, um damit "Motorrad" zu fahren und wurden als Exoten angesehen!


    Die winterliche mitleidige Frage an der Tankstelle, ob es denn nicht zu kalt zum Motorradfahren sei, war schon Standard!


    Wer ein größeres Motorrad fuhr, kam zwar nicht gleich in den Geruch, zu arm für ein Auto zu sein, anhören musste man das allerdings doch öfter!


    Für den Preis von 3.000 DM einer 500er BMW bekam man einen VW-Käfer Standard, damals ein Auto für bessere Angestellte. Seilzugbremse als hauptsächlichstes Unterscheidungsmerkmal zum Export-Käfer mit Hydraulik-Bremse und zum Preis 4.000 DM einer 600er BMW!


    NSU Max oder 250er BMW = Goggo-Mobil oder BMW Isetta!


    Mit einem kleinen Motorrad war man abgestempelt, ob man wollte oder nicht!


    Das war die Zeit, wo man am Sonntag auch als Arbeiter einen Schlips umhing und dann auf Familien-Ausflug ging, zu Fuß oder mit dem Auto!


    Und so ging eine einstmals in der Welt führende deutsche Zweirad-Industrie den Bach runter!


    Das war eine Zeiterscheinung und hatte nichts mit unterlassenen Neuentwicklungen oder mangelndem Motorsport-Engagement zu tun.


    Ein Auto zu besitzen und mit der Familie mobil zu sein, war das Höchste.


    Nur ein Motorrad zu haben und dazu Familie, war in den Augen der breiten Masse asozial im höchsten Grade!


    Und so rechne ich deser Zeitschrift das wirklich hohe Engagement während dieser Jahre hoch an.
    Ich war damals einer der wenigen, die ein großes Motorrad fuhren und habe mir erst viel später, als ich es mir leisten konnte, ein Auto "zusätzlich", vor allem aus beruflichen Gründen, gekauft.


    Wenn heutzutage so eine Zeitschrift mit 190 Seiten erscheinen kann im Gegensatz zu 26 Seiten damals, so ist das insgesamt erfreulich für die normalerweise bejammerte Motorrad-Landschaft oder -Szene Deutschlands!


    Neben den Allerweltsberichten über die Massen-Produkte kommt auch hin und wieder das eine oder andere über die hier vertretene Szene.


    Ich werde versuchen, zumindest in Ausschnitten darüber zu berichten.
    Dabei werde ich, weil dies unter dieser Überschrift steht, dies nicht jedesmal als Zitat bezeichnen.


    Racepa

  • servus Racepa,
    nen interessanten crashkurs in sachen motorradgeschichte in deutschland hast du da geliefert, :respekt: .
    ich selber kenne die szene zwar noch nicht solang wie du :) - aber ich erinnere mich auch noch gut als
    1970 auf dem schulhof die erste 750 four stand - in goldmetallic - boaaahh, war das 'n knaller !!!
    und die tests vom klacks auf der nordschleife dazu in 'das motorrad' ...
    wir jungs damals grad 15..16, voll infiziert, vom taschengeld den bauern die alten mopeds für'n
    paar kröten abgeschwatzt und damit erstmal schwarz gefahren (da noch kein' führerschein).
    wer da schon das geld für ne kreidler rs oder zündapp ks50 hatte, war könig
    (ich gehörte damals dazu nicht, als schüler, keine kohle).
    mit 18 musste dann aber ein motorrad her - maico md125, drehschieber, damals schon ein echter renner.
    usw.usf.
    und heute lamentiert der chefredakteur im aktuellen 'motorrad' dass der nachwuchs fehlt, weil die hersteller keine gescheiten 125er anbieten.
    alles quatsch.
    es ist der gesetzgeber, der durch unsinnige vorschriften den führerschein über die schmerzgrenze hinaus verteuert,
    und die noch viel hirnlosere 80 kmh beschränkung !
    man sollte all denen die das verbrochen haben, mal ne woche auf ner 80 kmh 125er im 'normalen' strassenverkehr verordnen, dann würden sie vielleicht merken wie schwachsinnig das ist.
    zum vergleich:
    zu meiner zeit hatte ne kreidler rs 6,25 ps und lief echte 100, wenn alles passte - und damit konnte man sich zwischen den käfern und r4's gut behaupten, lkw's waren auch kein thema.
    und heute ???

    If you don't go to other men's funerals they won't go to yours.

    Einmal editiert, zuletzt von hoernerfranz ()

  • hf,


    und dann kam leider die Zeit, als die an sich sowieso schon recht hohen Versicherungsprämien gerade für die 50er sich verdrei- bis vervierfachten!


    Ursache: Die von den Jungs bei den Unfällen mit den 50ern geschädigten Mädchen auf dem Sozius!
    Es hat damals leider viele Unfälle mit den 50ern gegeben und dann war der Jammer groß, weil keiner mehr die Prämien zahlen konnte und die 50er damit praktisch für die Jungs unbezahlbar wurden!


    Aber der Klacks mit seinem auf den Tank aufgeschnallten Fahrtenschreiber auf der Nordschleife. Das waren schon Berichte!


    Aber schau mal nach Österreich, dort dürfen die Jungs noch weniger als bei uns!


    Waisenknaben waren wir früher auch nicht, aber es spielte sich alles auf einer anderen Ebene ab! 6,25 PS, wer will das heute denn noch fahren?


    250er, die wie die Adler oder Max 16 - 17 PS hatten, das war "der" Traum!


    Mit 35 PS war ich der King, wer hatte mehr? Bis dann die R69S kam!


    Dauergeschwindigkeiten von 130 - 140 km/h auf der Autobahn wurden als selbstmörderisch hingestellt!


    Der Unterschied liegt im Maschinenmaterial, die Menschen darauf sind im Wesentlichen gleich geblieben!


    Racepa

  • @Mondial


    Ich habe 1999 meine 50er Schwalbe 3.Gang Bj. 78 in fast neuzustand mit ihren 3,6 PS mit Stolz auf unseren Straßen bewegt! Für 4000km habe ich damals schlappe 2 Monate gebraucht =) bei Gemisch Spritpreisen von ca. 1,50DM war das auch noch finanzierbar.


    Man hat damals viel gelernt auch grad im Winter...es gab so manchen Sturz welche ich dann mit allen nachfolgenden Motorrädern Gottseidank schuldig geblieben bin.


    Nach dem die gute Schwalbe gestohlen wurde kam dann eine sagen umwogene MZ ETZ150 (Umbau auf 125) Bj.89 mit ihren 12PS ins Haus. Ein wahrer Traktor den ich heute noch in der Stadt mit liebe bewegen würde wenn sie angemeldet wäre!


    Aber die Jugend von heute weiß solche Zeiten garnicht mehr zu schätzen. Und der stagnierende Verkauf von 125ern ist wohl auch auf die Spritpreise zurück zu führen. Mal davon abgesehen was heute eine solche Maschine samt Versicherung und Führerschein kostet.

  • Dazu nun einen Auszug vom Leitartikel Chefredakteur Pfeiffer vom 1.4.05.


    Klares Votum


    .... Über das Nachwuchsproblem wird in der Motorrad-Industrie seit Jahren viel diskutiert. Man betreibt intensiv Marktforschung, Professoren erstellen wichtige Gutachten, Agenturen entwickeln tolle Konzepte. Mir kommt es dabei oft so vor, als ob man zum Fische fangen über den Preis der Angel diskutiert, um ja keinen Köder kaufen zu müssen. Aber, das weiß jeder, ohne Köder beißen die Fische nicht.


    Sprich: Wer keine 125er baut, braucht sich nicht zu wundern, wenn er keine verkauft. Der Sieger in der 125er-Klasse ist seit 8 Jahren auf dem Markt. Noch Fragen? Von den 1,7 Millionen 16- und 17-Jährigen entscheiden sich nicht einmal 20.000 für den Kauf eines neuen Motorrads. Für mich logisch, denn das Angebot ist viel zu klein. Honda, nun auch Yamaha und eine Hand voll kleinere Marken bilden die rühmliche Ausnahme.


    Dabei wäre es einfach. BMW baut eine F 125, KTM eine kleine Supermoto, Suzuki eine 125er-GSX-R und Kawasaki eine Z 125. Wenn dann Yamaha noch eine coole Rossi-Replika auf die Räder stellt und aus der Cagiva Mito eine MV Agusta F4 125 entsteht, werden wir schnell wieder steigende Nachwuchszahlen haben. Und in fünf Jahren schon froh darüber sein.


    Soweit der Text, zunächst ohne Kommentar von mir!

  • Zitat

    Original von Racepa
    Dazu nun einen Auszug vom Leitartikel Chefredakteur Pfeiffer vom 1.4.05.


    racepa,
    genau den artikel hatte ich oben gemeint, und als 'quatsch' bezeichnet -
    begründung siehe dort.
    und - klar - du hast recht: mit den 50ern sind jede menge unfälle passiert in den 70ern,
    in der folge die steigenden versicherungsprämien, gesetzlichen restriktionen usw.
    das ergebnis sind die heutigen regelungen, die einen einstieg nun für die meisten völlig uninteressant machen.
    und genau DAS ist der knackpunkt heutzutage, NICHT die behauptung, dass die hersteller keine
    interessanten mopeds anbieten würden.
    dass es auch anders geht, zeigen unsere nachbarn frankreich und italien, dort sind die 125er nicht auf 80 kmh kastriert, und die jugendlichen nutzen das.
    dass gerade einsteiger erstmal ein grösseres unfallaufkommen haben, ist leider tatsache,
    aber die hierzulande angewandte knebelung ist auch keine lösung.

    If you don't go to other men's funerals they won't go to yours.

  • ok, smolo,
    aber ich denke die spanier haben zumindest ordentliche 50er, wer würde sonst die ganzen derbis, gas-gas etc. kaufen ?
    und in punkto obrigkeitswahn und reglemtierungssucht werden wir deutschen allenfalls noch von den österreichern übertroffen :nuts:

    If you don't go to other men's funerals they won't go to yours.

  • Auch mal zu erwähnen#. In Belgien boomte in meiner jungen Jugendzeit die Mopedszene. Die 50er waren DER RENNER.
    nach den neuen Bestimmungen darf man da ab nächstem Jahr ab 17 Auto fahren.
    Mal von dem fehlenden Verantwortungsbewusstsein abgesehen, kauft sich da keiner mehr für 1 Jahr ein Moped.
    Folge: Die Werkstätten, zu denen wir damals im grenznahen Gebiet gefahren sind, sind fast alle geschlossen.


    Dass kaum mehr einer eine neue 125er kauft ist ganz klar.
    Wie denn auch bei über 5000 euro Anschaffung?
    Kommt dann auch noch ne Lederkombi, Stiefel und Helm sind nochmal min. 1000 euro weg.
    Nicht zu vergessen die 7-10 L auf 100km und das teure Zweitaktöl, die Unterhaltungskosten usw.


    Honda versucht es ja mit dem Scheißhaufen. Aber das Auge kauft mit, und der Preis bestätigt die Tatsache der fehlenden Qualität. Sowas ist halt keine Rennmaschine.


    Aber man braucht auch keine Rennmaschine um einzusteigen.


    Ich hab als kleiner Pimpf auf ner Zündapp Bergsteiger angefangen, danach Yamaha DT50, Kreidler RS, Zündapp CS und KS 50-125 usw.


    Ich frage mich immer nur, warum eine 50er aprilia 3200 euro kosten muss???


    Im Prinzip brauchen die Hersteller sich nicht wundern.
    Solange ADAC, DMSB und Vater Staat nicht mitziehen wird es kaum mehr Nachwuchs geben.


    Das hat dann der Vorteil, dass der dann kommende Nachwuchs wenigstens zahlungsfähig ist :)

    ich kompensiere Appetit durch Leichtbau :aha:

  • Mal ganz ketzerisch gefragt: Welcher Jugendliche würde sich so eine wie von Smolo angesprochene 125er mit 10 - 12 PS kaufen und damit fahren?


    Ein einfacher Stahlrohrrahmen, vorn Tele, hinten Schwinge, Motor Schlitzer mit max. 5 Gängen, Kickstarter, keine Verkleidung, 105 - 110 km/h, Verbrauch 4,5 ltr. Gemisch, Soziustauglich, Kettenschutz wie bei der MZ,Tank 10 - 11 ltr. ohne großen weiteren Schnickschnack! Preis 2.300 Euro.


    Dann lieber zu Fuß gehen oder Rollerfahren!


    Es ist nämlich zu beobachten, dass immer mehr Jugendliche, auch Mädchen, auf die relativ problemlos zu fahrenden Roller steigen.


    Es fehlt m. E. nicht am Nachwuchs, sondern die finanziellen Voraussetzungen sind oftmals nicht gegeben


    Das sind nicht nur die Anschaffungskosten für Fahrzeug, Ausrüstung und Führerschein, sondern auch die laufenden Kosten!


    Der Spritverbrauch der Aprilia, Kolbenlaufzeiten von nur 16.000 km, all die hier immer wieder besprochenen Probleme, die Kosten verursachen wie z. B.Ketten- u. Reifenverbrauch für die jetzt eingesetzten verkappten Renner zehren auf Dauer an der finanziellen Substanz der Fahrer.


    Eine Maschine wie oben angesprochen mit Reifenlaufzeiten 3 mal so lang wie derzeit und ebenso die Standzeit der Kolben = 50.000 km, der Kette usw. wäre zwar bei weitem nicht so attraktiv wie die jetzigen Rennerles, wäre aber vermutlich finanziell eher zu verkraften!


    Ich glaube, dass es solche Motorräder auch schon gibt!
    Sicherlich in Ländern, die relativ arm sind und wo diese Art von Motorrädern als ganz normales Fortbewegungsmittel dienen!


    Aber es war schon immer etwas teurer, wenn etwas als Hobby verkauft wurde!


    Racepa